Brou­wers­dam 2012

"Ihr habt keine An­hän­ger­kupp­lung?"“ Bis zu jenem Te­le­fo­nat im Fe­bru­ar die­ses Jah­res war mir das be­son­de­re Manko un­se­res Autos nicht wei­ter be­wusst

Angekommen- Boote aufriggen

aber der Ton der Frage macht mir schnell klar: für einen Seg­ler ist unser Pas­sat wie ein Auto mit drei Rä­dern - prak­tisch nicht zu ge­brau­chen. "Könn­tet Ihr denn we­nigs­tens einen Opti auf das Dach neh­men?"“ fragt die Stim­me am an­de­ren Ende des Te­le­fons, die sich of­fen­bar von dem ers­ten Schock er­holt hatte. Ich hätte jetzt ein­fach ant­wor­ten kön­nen, "kein Pro­blem, ma­chen wir gerne"“, aber im An­flug der Vor­freu­de auf ein paar Tage Ur­laub in Hol­land ließ ich mich dazu hin­rei­ßen zu sagen, dass wir über­legt hät­ten, Fahr­rä­der für die 5 Tage mit­zu­neh­men, damit wir mit un­se­rem drei Jahre alten Sohn auch etwas un­ter­neh­men könn­ten, wenn alle an­de­ren se­gel­ten.

Spä­tes­tens an die­ser Stel­le hätte das Te­le­fon­ge­spräch auch ein ab­rup­tes Ende fin­den kön­nen, aber es kam an­ders. Als ich auf­leg­te, hatte ich eine Kon­to­num­mer, auf die wir das Geld für die Se­gel­frei­zeit über­wei­sen soll­ten, eine E-Mail Adres­se, die ich wei­ter nicht brau­chen würde und die Daten, von wann bis wann es los­ge­hen soll­te. Mehr hatte ich nicht und mehr brauch­te man of­fen­bar auch nicht.

Je näher der Tag der Ab­fahrt rück­te, desto mehr be­schlich uns das Ge­fühl, alle an­de­ren wüss­ten deut­lich bes­ser Be­scheid als wir. Ver­mut­lich waren sie schon hun­dert­mal zu­sam­men auf Se­gel­frei­zeit ge­we­sen, kann­ten sich seit Jah­ren und es würde höchst merk­wür­dig wer­den,  als Nicht­seg­ler in diese Ge­mein­schaft ein­zu­bre­chen. Was soll­ten wir dort, ein 13-jäh­ri­ger Sohn, der seit 8 Mo­na­ten 420er se­gelt, eine 10-jäh­ri­ge Toch­ter, ein 3-jäh­ri­ger Sohn und wir als El­tern, die gern Fahr­rad­fah­ren?

Pünklichkeit schützt vor Liegestützen

Am Diens­tag vor dem Ab­fahrts­tag wur­den die Boote ver­la­den. Jetzt kann­ten wir auch das Ziel: Brou­wers­dam. Unser Auto blieb als ein­zi­ges von 17 Fahr­zeu­gen schiffs­frei. Ir­gend­je­mand hatte noch ge­sagt: "Ihr könnt das gar nicht ver­feh­len, es gibt nur ein Haus."“ Nach vier­ein­halb Stun­den er­reich­ten wir den 1971 fer­tig ge­stell­ten und of­fen­bar nach den Land­wir­ten der Re­gi­on be­nann­ten Bau­ern­damm und we­ni­ge Mi­nu­ten spä­ter eine gi­gan­ti­sche Ma­ri­na mit 50 bis 100 Häu­sern. Nur ein Haus? Etwas rat­los bogen wir ab. "Surf und Zeil­zen­trum"“ stand auf einem Weg­wei­ser und tat­säch­lich stand da ein Haus etwas ab­seits, fast im Was­ser, ein­ge­rahmt von Surf­flag­gen und Autos mit Es­se­ner Kenn­zei­chen. Wir waren am Ziel!

 

Mit der An­kunft waren alle Be­den­ken wie weg­ge­weht. Wir luden aus und wenig spä­ter fan­den wir uns in­mit­ten all der er­fah­re­nen Seg­ler an lan­gen Ti­schen im Re­stau­rant des Se­gel­zen­trums wie­der. Der Abend be­gann mit mun­te­rem un­kom­pli­zier­tem Ge­plau­der. Ein Rah­men, der uns alle Tage be­glei­ten soll­te. Bende hatte recht ge­habt, wir brauch­ten keine Fahr­rä­der. Weder für uns noch für die Kin­der. Schon am nächs­ten Mor­gen waren alle auf dem Was­ser. Auch Line, un­se­re Toch­ter, saß gleich mit im Mo­tor­boot und spä­ter im Opti, ob­wohl sie nicht im Ver­ein se­gelt. Wir waren be­geis­tert, wie un­kom­pli­ziert alles funk­tio­nier­te. Der ein­zi­ge, der an Land blieb, war Hauke, unser Drei­jäh­ri­ger. Ihm reich­te die oran­ge­far­be­ne Schwimm­wes­te, um dabei zu sein. Die im Wind flat­tern­den Segel waren ihm of­fen­bar etwas un­heim­lich - aufs Was­ser woll­te er selbst mit gutem Zu­re­den der er­fah­rens­ten Seg­ler nicht. Doch die Tage haben bei ihm einen nach­hal­tig Ein­druck hin­ter­las­sen. Seit wir aus Brou­wers­dam zu­rück sind, spielt Hauke mit jeder Wanne, mit jeder Kiste Schif­fe an­le­gen.

Jan und Bende

Auch bei uns haben die Tage in Hol­land ihre Spu­ren hin­ter­las­sen. Zum einen fühl­ten wir uns wirk­lich sehr nett auf­ge­nom­men in einer Trup­pe, die sich zum Teil seit vie­len Jah­ren gut kennt und die sich, wie wir spe­zi­ell beim Boote ver­pa­cken fest­stel­len konn­ten, tat­säch­lich fast blind ver­steht. Zum an­de­ren waren wir, wie wohl alle an­de­ren auch, nach vier Tagen im Wind echt KO. Früh­sport, Sonne, am Frei­tag ein wirk­lich kal­ter Wind und viel Raum zum Ken­tern. Schon das Zu­schau­en war an­stren­gend. Dazu noch eine sehr ei­ge­ne hol­län­di­sche Me­nü­fol­ge: Ha­gels­lag mit Toast­brot zum Mit­tag. Für die Opti- Kin­der zwar die er­sehn­te Scho­ko­ra­ti­on für den Tag. (Wuss­ten Sie ei­gent­lich, wie viele Scho­ko­streu­sel in ein von Innen aus­ge­höhl­tes Bröt­chen pas­sen?)  Für die 420er Trup­pe eher etwas für den hoh­len Zahn. Noch so eine Her­aus­for­de­rung der Tage in Brou­wers­dam, die je­doch abends immer mit einem or­dent­li­chen Menü und net­tem Bei­sam­men­sein en­de­ten.

"Immer eine Hand­breit Was­ser unter dem Kiel"“,  mit die­sen Wor­ten goss un­se­re Toch­ter Line Sams­tag­abend eine or­dent­li­che La­dung Sekt über einen der neuen 420er: Schiffs­tau­fe - für jedes der Opti-Mäd­chen gab es ein Schiff zu tau­fen und so tauf­te Line das Schiff, das nach dem alten Trai­ner der 420er be­nannt wurde. Ir­gend­wie sehr pas­send! War es doch Mar­kus, der aus­ge­spro­chen un­kom­pli­ziert ihren Bru­der Bende beim ers­ten Be­such gleich mit an Bord nahm und nach einer Trai­nings­be­gleit­fahrt mein­te, er solle ein­fach wie­der kom­men. Ein coo­ler Start nach nur einer Woche Se­gel­camp in Kiel, und das zum Sai­son­ende mit­ten im Sep­tem­ber.

Bootstaufen

Die Wahl der an­de­ren Schiffs­na­men war nicht so ein­fach. Ins­be­son­de­re die Ju­gend­lie­be zur KAU­TSCH (Couch?) - dem grau­en Be­gleit­boot - er­schwer­te die Na­mens­fin­dung für das neue rote Gum­mi­boot. Vom Sofa über den Ses­sel han­gel­te man sich zum FÄHR RARI. Ein Name, der dem leicht über­mo­to­ri­sier­ten und von mit­rei­sen­den El­tern aus­ge­spro­chen gerne ge­fah­re­nen Flit­zer durch­aus ge­recht wird.

Elternboote

Am Sonn­tag war noch ein­mal rich­tig Wind. Dann hieß es Boote pa­cken und auf nach Hause. Als alle 16 Ge­span­ne sich zum Foto auf­stel­len, ste­hen wir doch noch mal etwas im Ab­seits - ganz ohne Schiff auf oder am Auto. Wir las­sen alle an uns vor­bei­zie­hen und rol­len das Feld von hin­ten auf. Erst kurz vor der Gren­ze nach Deutsch­land über­ho­len wir das letz­te Ge­spann. Das Bild ist über­all das glei­che: Ein Fah­rer und da­ne­ben dö­sen­de oder schla­fen­de Ju­gend­li­che. Ein tol­les Wo­chen­en­de geht zu Ende.

Zu­rück