Tranquilla Turtle und Leo Maus auf dem Golfplatz
„Ja, ich bin Dir wirklich dankbar für Deine Einladung, sonst säße ich wieder zuhause über meinen Büchern“ gibt Neffe Leo ihr Recht.
„Schau mal, die Dame vor uns spielt ja alleine. Eigentlich könnten wir doch dann auch zusammen gehen“, schlägt Leo vor. „Das machen wir hier nie so. Vielleicht fragen wir nachher noch Liliane Susemihl, die hinter uns spielt, ob wir noch etwas zusammen trinken. Aber jetzt zusammen spielen? Ne, dann hätte sie uns schon fragen müssen.“
„Komm Leo, wir können schon mal abschlagen. Ich komme niemals aufs Grün und dann schlägst Du einfach nach mir ab.“ Tranquilla geht ans erste Tee und schlägt mit ihrem Wunderhölzchen ab: “Wow, so einen Schlag hatte ich aber lange nicht mehr. Der ist ja fast auf dem Grün!“. Auch Leo ist beeindruckt „Irre, Du auf Deine alten Tage. Aber hätten wir da nicht FORE rufen sollen?“ „Wieso? Die hat uns doch gesehen.“
Der nächste Schlag aufs Grün gelingt, eigentlich ist das Par für Tranquilla sicher, doch dann hoppelt der Ball über eine Pitchmarke und nimmt Fahrt bis weit unter das Loch auf. „So ein Ärger, der wäre ja fast drin gewesen.“ „Diese blöden Pitchmarken“, stimmt Leo ihr zu,“das ist bei uns auch so. Hast Du Deine eigentlich schon entfernt?“ „Ich? Wieso? Ich mache doch nie welche und außerdem müsste ich mich dann ja bücken. In meinem Alter …“ Der fünfte Schlag bringt den Ball ins Loch. Ein Bogey ist doch auch noch prima. Gut gelaunt greift Tranquilla zur Fahnenstange, zieht diese mit einem Ruck nach oben und der Ball quetscht sich zwischen Stange und der bis dahin scharf gestochenen Lochkannte aufs Grün. Tranquilla wendet ihren Putter und greift den Ball mit dem am hinteren Ende angebrachten Gumminoppen.
Die Runde geht fröhlich weiter, die Dame aus dem Vorflight ist mittlerweile außer Sicht, nur Liliane Susemihl muss manchmal warten. „Tranquilla“, fragt Leo seine Tante, „sollen wir Frau Susemihl nicht durchspielen lassen, wenn Du schon nicht mit ihr zusammen gehen möchtest?“ „Waaaas, das machen Dein Onkel und ich nie. Das hält uns viel zu sehr auf.“
Einige Löcher später zeigt Tranquilla, was immer noch in ihr steckt und schlägt den Drive in den hinteren Fairwaybunker. Dort angekommen stiefelt sie schimpfend in den Bunker. Wenn sie eines nicht mag, dann ist es Sand in ihren Schuhen. Gekonnt schlägt sie den Ball mit einem ordentlichen Divot auf Grün. Tief befriedigt verlässt sie den Bunker, um den Ball vielleicht zum Par zu lochen.
„Sag mal Tante, aber Bunker harkt Ihr hier doch schon, oder?“ „Oh, je. Ja eigentlich schon, aber die Harke, die lag so weit weg. Dann hätte ich ja den ganzen langen Weg zweimal laufen müssen.“ Sie spricht den Ball an, dieser huckelt über eine Pitchmarke und knurrend locht sie ihn zum Bogey ein.
Bis jetzt lief die Runde super und ihr Neffe sollte noch einen richtig guten letzten Abschlag von ihr sehen. Sie stellt sich ans Tee, holt aus und der Ball macht eine satte Linkskurve, um mit viel Holzkontakt zwischen den Bäumen zu landen. Fluchend begibt sich Tranquilla zu ihrem Ball, schlägt auf ihn ein, ohne weiter zu gucken und er fliegt perfekt getroffen aus dem Wald in Richtung Grün.
Auf dem Weg zum Grün kommt ihnen die Spielerin des vorherigen Flights entgegen, die gerade das Grün verlässt. Von ihr darauf angesprochen, dass der Ball sie nur knapp verfehlt habe und zumindest ein FORE-Ruf angebracht gewesen sei, meint Tranquilla selbstbewußt :“Ich habe gar nicht hingeschaut und sie waren doch schon mal weit vor uns. Außerdem hat der Ball Sie doch gar nicht getroffen.“
Nach dieser unangenehmen Begegnung nimmt Tranquilla ihren Trolley, zieht ihn grollend am Grün vorbei hin zum äußersten linken Grünrand. Sie braucht schließlich noch ihren Putter und mit welchem Schläger sie annähert, weiß sie auch noch nicht. Ein Chip, zwei Putts und der Ball ist im Loch. Noch auf dem Grün bedankt Leo sich kurz für die nette Golfpartie und hört sich an, wie seine Tante die letzten Schläge rekapituliert. Die Geduld von Frau Susemihl wird ein letztes Mal auf die Probe gestellt während Tranquilla umständlich ihre Schläger einräumt und dann gemächlich vor dem Grün entlang in Richtung Clubhaus zieht.
„Jetzt waschen wir noch kurz unsere Schläger, mein lieber Leo und dann fragen wir Frau Susemihl, ob sie nicht noch einen Drink mit uns auf der Terrasse nehmen möchte. Wird die sich freuen.“
PHW